[ Überarbeitet / Ursprünglich am 22.06.2012 auf www.last-voice.de erschienen ]
Mein Statement zu den aktuellen Berichten über Kinderfotos im Internet
Ich freue mich total darüber, dass meine Initiative Keine Kinderfotos im Social Web derzeit so viel Aufmerksamkeit bekommt. Auch wenn der Auslöser für das aktuelle Medieninteresse eher ein klassischer ist: Ein kleiner, vermeintlicher Skandal und Scheinwerfer an. So sind wir: Der Mensch lernt durch Fehler und Schmerz.
In einer Schule werden Schüler vom Unterricht ausgeschlossen, weil deren Eltern nicht möchten, dass Bilder ihrer Kinder im Internet veröffentlicht werden.
Meines Erachtens haben die Eltern alles richtig gemacht, die mittlerweile bereuende Schule ist in eine Falle getappt und der Salat war angerichtet. Sofern es aber hilft, für das Thema Kinderfotos im Web zu sensibilisieren, hat es einen Sinn.
Und nun wird meine Initiative und mein Blog plötzlich hier und da genannt …
Das ist klasse und zur Zeit wird ordentlich diskutiert. Die Diskussionen verteilen sich in alle denkbaren Bereiche: Datenkrake-Facebook, Pädophilen-Supermarkt Internet, Bildungsarmut in Deutschland, Fortschrittsverweigerung der Alten, …
Leider passiert das, was im Diskurs über unseren digitalen Wandel so schnell passiert. Leider passiert das, was immer so schnell passiert: Wir suchen die Schuld beim anderen, bei Facebook, den Schulen, den Lehrern, den anderen Eltern, dem Gesetzgeber, dem Geschichtenerzähler, dem Werweißich …
Das System „Welt“ an sich bietet uns eine große Zahl an Möglichkeiten und eine ebenso große Zahl an Fallen, Versuchungen und deren Artverwandten. Und bissen wir nicht ab und zu in den Apfel, würden wir uns im Paradies zu Tode langweilen. Aber die Antwort auf die Frage: „Beißen, oder nicht beißen?“ muss jeder für sich selbst finden.
Mir geht es im Kern um Selbstbestimmung und Eigenverantwortung
Ich kenne in der Tat keinen Fall, in dem das Internet, Facebook oder Google jemandem aktiv Schaden angerichtet hat. Das machen eher Unternehmen, wie die Kreditinstitute, die uns gewissenlos und bewusst falsch beraten und unser Geld verzocken, Unternehmen, die Mitarbeiterinnen kündigen, weil diese ein halbes Brötchen mitgehen lassen haben, oder produzierende Betriebe, die Ihre Mitarbeiter unterbezahlt in unerträglichen, zum Teil giftigen Bedingungen halten. Davon findet Ihr einige direkt vor Eurer Tür.
Es ist meines Erachtens eher so, dass individueller Schaden dadurch entsteht, indem das System vom Einzelnen falsch genutzt wird. Hier aus Naivität, da aus mangelnder Erfahrung, hier aus purer Dummheit, da wider besseren Wissens. Das passierte mit Strom, mit Autos, mit Feuer, mit Messern, mit Medikamenten, mit …
Heute passiert das mit dem Internet.
Mit der großen Freiheit Internet rückt in den Mittelpunkt, was uns allen nicht geheuer ist: Eigenverantwortung.
So wie wir das Internet nutzen, so wird es uns dienen oder schaden.
In der Verantwortung, das System Internet, so zu nutzen, dass Freude statt Schaden entsteht, ist der Einzelne, sind wir jeder für sich. Unsere Kinder dahingehend zu befähigen ist eine der heute schwierigsten Aufgaben.
Jetzt werde ich kurz böse, aber am Ende wieder lieb. Versprochen.
Nach dieser kleinen Schleife bemühe ich mich nun zum Kern zu kommen und auch dort mit Euch zu verweilen.
Die Initiative Keine Kinderfotos im Social Web habe ich nicht ins Leben gerufen, weil Fotos von Kindern im Internet von dritten missbraucht werden könnten, sondern weil Eltern, die Kinderfotos ins Web stellen, in meinen Augen meistens selbst die Täter sind, die Ihre Kinder benutzen.
Kein Kind hat irgendetwas davon, wenn dessen Bild im Web veröffentlicht wird. Egal wo. Wem also nutzt es?
Es gibt ohne Zweifel einzelne, echte Ausnahmen, aber ich Rede von
- Profilbildern im Social Web, wo Junior bei Papa auf dem Arm sitzt
- Bildern aus dem Alltag, wo die Kleine so niedlich im Auto eingeschlafen ist
- Babyfotos frisch aus dem Krankenhaus, als Fotobeweis dafür, dass es tatsächlich passiert ist
- Schnappschüsse vom Unfall mit dem Eis und der lustig verschmierten Schnute
- Erinnerungsfotos vom Kinobesuch, weil Papa es endlich mal geschafft hat
- u.v.m.
Es braucht nicht den dritten, um ein Kind zu gebrauchen. Das passiert bereits vorher. Selbst für die, die es auf spektakuläre Nacktbilder von Kindern abgesehen haben, sind o.g. Fotos ohne Wert. Ein Kind muss nicht erst (fast) nackt sein, bevor es benutzt werden kann.
Ein Kind wird bereits benutzt, wenn Mama, Papa oder andere die Interessen des Kindes mit den eigenen Interessen verwechseln.
Das ist mein Punkt.
Dafür sind viele Fotos im Web ein sehr gutes Beispiel.
Und kommt mir nicht mit Stolz und Co. Macht Ihr Fotos von Euren Partnern/innen, Geschwistern, Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen/innen, wenn die ein Tor geschossen, ein Lied geträllert, ein Turnier gewonnen haben? Macht Ihr Fotos von Euren Partnern/innen, Geschwistern, Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen/innen wenn diese Geburtstag haben?
Macht Ihr diese Fotos von anderen „Großen“ und stellt die dann ungefragt online?
Nein, denn das gehört sich nicht. Es könnte ja die Privatsphäre des anderen verletzen. Genauso, wie es sich gehört, an die Türen Eurer Kinder zu klopfen, bevor Ihr dort reinstürmt, genauso gehört es sich, Eure Kinder zu fragen, ob Sie im Internet auf die Bühne möchten. Und weil die ganz kleinen nicht antworten werden, lasst es besser sein. Sie könnten es Euch Mamas und Papas später sogar krumm nehmen.
Von der Veröffentlichung von Kinderfotos im Web haben insbesondere die Kinder Null-Komma-Nichts und werden zu verschiedenen Zwecken der großen Erwachsenen gebraucht, benutzt und oft einfach als Objekte verwendet.
Kinder haben vom ersten Tag ihres Lebens ein Recht auf Ihre Privatsphäre und sie sind keine Objekte.
Wir sind die Eltern.
Im wesentlichen geht es mir mit Keine Kinderfotos Keine Kinderfotos im Social Web nicht um Fortschrittsverweigerung, schon gar nicht um Facebook-Verdammung, Lehrer- oder Schul-Gemotze oder Eltern-Beschuldigung. Es geht mir nicht darum, Schuldige zu finden und über diese zu urteilen.
Es geht nicht um die Gefahren des Internets, sondern um die Rechte der Kinder. Es geht darum, dass von diesen vielen Kinderfotos im Web insbesondere kein Kind etwas hat und statt dessen nur benutzt wird. Damit sollte Schluss sein.
Mir geht es mit KKFiSW darum, als Vater die Verantwortung zu übernehmen, meine Kinder Medien-kompetent zu erziehen und im Rahmen meiner Möglichkeiten und Erfahrung auf das vorzubereiten, was jetzt erst losgegangen ist.
Und während ich dieser Verantwortung nachzukommen versuche, nutze ich Facebook und mein Blog, andere für die Idee zu gewinnen, dass „WIR DIE ELTERN SIND“ und unsere Kinder Rechte haben. Auch das Recht, von uns zu lernen, wie Freiheit und Sicherheit zwei gerade heute scheinbar konkurrierende Pole sind, die aber beide unverzichtbar sind.
Wenn wir unsere Kinder bemächtigen, mit all dem „Neuen“ achtsam und klug, sensibel und souverän umzugehen, werden die das locker schaukeln. Und sie werden das System dort korrigieren, wo es sein muss.
Zeigt den Kindern die Welt, und nicht die Kinder der Welt.